Was man bei Projekten in den arabischen Golfstaaten wissen sollte

Immer mehr und mehr Projekte finden in den arabischen Golfstaaten statt. Dieser Kulturkreis hat seine projektspezifischen Wurzeln im letzten Jahrhundert, dessen „Quelle“ ursprünglich die Erdölindustrie gewesen ist. Sie ist heutzutage auch die stärkste und wichtigste Projektströmung. Doch mit der Erdölindustrie kam das Geld und damit das Verlangen die Infrastruktur stärker aufzubauen. Gleichzeitig möchten die Länder ihren arabischen Kulturkreis wahren und kein billiger Abklatsch des Westens werden. Auf diese Art und Weise entstanden Projekte innerhalb anderer Branchen (IT, Medizin, Verkehr, Bau etc.) die kulturspezifisch handgehabt werden mussten. Dieser Blog beschreibt meine Erfahrung mit solchen Projekten, welche ich gerne an Sie weiter geben möchte.

 

Religion

Die Religion ist Teil der arabischen DNA! Das muss jedem Projektmanager aus dem Westen klar sein und dem entsprechend hat man dies auch zu respektieren. Sollte ein Projektmanager es z.B. belustigend finden wie die arabischen Teammitglieder ihre Teppiche zum beten auspacken bzw. diese in den Gebäuden rumliegen lassen (auf gar keinen Fall da drauf rumtrampeln) ist er definitiv der falsche für den Job. Das ganze hat jedoch nicht nur einen sozialen sondern auch einen sachlichen Aspekt welchen man unbedingt bei der Umfeld Analyse zu berücksichtigen hat. Je nach Land und Region kann eine mehr oder weniger abgeleitete Rechtsform aus der Scharia existieren. Die Scharia bezeichnet das islamische Recht und es enthält die Gesamtheit der Gesetze, die in einer islamischen Gesellschaft zu beachten und erfüllen sind.

 

Gebetszeiten

Der Koran schreibt den Moslems das Pflichtgebet zu fünf bestimmten Tageszeiten vor. Diese heißen Adhān. Die Teilnahme am Gebet wird je nach Land mehr oder weniger durch eine Art „Scharia-Polizei“ überwacht. Das alles bedeutet wiederum, dass das Team mehrere male am Tag ausfallen kann. Diese Zeiträume müssen  bei der Einsatzplanung berücksichtigt werden. Die Zeiten sind folgendermaßen festgelegt:

  • Morgen: Dieses Gebet wird in der Zeit zwischen dem Beginn der Morgendämmerung und dem Sonnenaufgang verrichtet.
  • Mittag: Dieses Gebet wird in der Zeit zwischen dem Höchststand der Sonne und dem Beginn des Nachmittagsgebets verrichtet.
  • Nachmittag: Dieses Gebet wird in der Zeit zwischen Mittag und Abend, etwa im letzten Drittel verrichtet.
  • Abends: Dieses Gebet wird nach dem Ende der Dämmerung verrichtet, von Einbruch der Dunkelheit bis vor Beginn der Morgendämmerung.

Die Gebete dauern ca. 30 Minuten und zu berücksichtigen ist dabei, dass Verkehr und Läden geschlossen sein können. Es empfiehlt sich daher als Projektmanager eine App auf seinem Smartphone zu haben, welche die Gebetszeiten an den jeweiligen Tag im Kalender anzeigt. Die Gebetsaufrufe sind nicht Minutengenau vorgegeben und finden in der Regel unkoordiniert statt. Ausnahme ist hier Abu Dhabi-Stadt, während ein Versuch der ägyptischen Regierung die Gebetsrufe in Kairo zu vereinheitlichen, also von einem Muezzin aus parallel zu schalten, scheiterte. In Indonesien wird oft auf den Gebetsruf verzichtet und mittels Gongschlägen zum Gebet aufgerufen.

Ressourcen und Termine

Die arabische Welt nutzt keinen gregorianischen Kalender! Dort ist der Freitag der offizielle Ruhetag (so wie bei uns der Sonntag und daher bitte nur wenn es unbedingt sein muss, die Stakeholder auch am Freitag kontaktieren). Die Woche startet also mit einem Sonntag. Jetzt stellen Sie sich ein KMU in Deutschland vor, welcher erste Schritt in solchen Regionen der Welt vornimmt. Effektiv bleibt als Schnittmenge für das Projekt der Montag, Dienstag und der Mittwoch über! Wenn das KMU hier aktiv  nichts unternimmt, werden Sie es als PM ziemlich schwer haben. Sie müssen die Linie bei der Schaffung von Strukturen und Schnittstellen sensibilisieren. Die Linie sollte daher Bereitschaftsdienste und Arbeitseinsätze an den Wochentagen betrieblich verankern. Es sollte auch einen vertraglichen Entsendungsrahmen geben. Dort können außer den finanziellen Vergütungen auch versicherungstechnische Fragen geregelt werden. Das Personal im Ausland muss sich sicher, behütet und gewollt von der Organisation fühlen. Wie wahren Helden! Dokumentieren Sie daher offiziell durch Emails und Protokolle Ihr Anliegen an die Linie. Niemand soll behaupten können, Sie hätten nicht nach solchen Strukturen und Schnittstellen angefragt. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie jetzt warten müssen bis dies geregelt ist! Sehen Sie dies als eine Art „Versicherung“ und „Druckmittel“ um die Linie zu bewegen ihren Job zu machen. Ihrer ist es nicht, denn Sie sind der Projektmanager!

Ebenfalls existieren in manchen Ländern stark eingeschränkte Frauenrechte. Aus diesem Grund macht es oft kein Sinn weibliche Projektmitglieder in das zu entsendende Team mitaufzunehmen. Dies gilt jedoch nicht für alle Länder. Der Oman oder die Vereinigten Arabischen Emiraten sind hier sehr offen und ich habe dort weibliche Projektmanager kennen gelernt die sehr erfolgreich mit ihren Projekten waren.

 

Einreise, Mobilität und Unterkunft

Einige arabische Länder haben starke Einschränkungen bei der Einreise! Oft müssen Sie in diesen Ländern jemanden haben der für Sie bürgt (z.B. ihr Kunde). Das geht in machen Ländern sogar so weit, dass Sie das Land auch nicht verlassen dürfen ohne das derjenige der für Sie bürgt Sie auch ausreisen lässt. Auch die VISA Erteilungen können länger dauern als ursprünglich gedacht und sind manchmal nur für einen kurzen Zeitraum gültig. Ebenfalls kann das Visum durch eine temporäre Ausreise erlöschen oder man ist andererseits verpflichtet das Land für mindestens einen Tag zu verlassen (das ist übrigens eine sehr gute Gelegenheit mit dem Projektteam einen kleinen Ausflug zwecks Teamstärkung zu unternehmenJ). Doch wie kann man sich am besten Klarheit verschaffen? Ganz einfach! Gehen Sie auf die Internetseite des Auswertigen Amtes www.auswaertiges-amt.de. Dort finden Sie wirklich alles explizit erklärt und ist zugleich eine wahre Fundgrube für die Umfeldanalyse Ihres Projektes. Wichtig für Sie ist, dass Sie eine VISA-Liste Ihres Teams führen. So können Sie pro aktiv sehen, wann welches VISA ausläuft und wann wer aus dem Team ein neues VISA beantragen muss. Kommen Sie nicht in die Situation, keine Leute vor Ort zu haben nur weil Sie es als PM versäumt haben den Überblick über die VISA zu behalten!

Sie sollten auch bedenken, dass unter umständen Sie auch gar keinen Zugang zu gewissen Lokationen erhalten können weil Sie kein Moslem sind! Als explizites Beispiel seinen hier die heiligen Stätten Mekka und Medina erwähnt.

Doch was kann man tun? Als erstes ist es ein wahrer Segen, dass es in Deutschland eine so enorm große Anzahl gut ausgebildeter und integrierter Bürger mit moslemischem Emigrationshintergrund gibt. Dies sind Mitbürger welche bereits in der zweiten oder dritten (wenn nicht sogar in der vierten) Generation in Deutschland leben und sind wie geschaffen für solche Projekteinsätze.

Sie sollten auch bedenken, ob Sie ihrem Team zutrauen können, am Verkehr selbstständig teilnehmen zu können! Darf das überhaupt ihr Team? Ebenfalls müssen Sie davon ausgehen, dass wenn es zum Verkehrsunfall kommen sollte, Sie als Fahrer immer der Schuldige sein werden. Daher ist Taxinutzung oder ein Fahrer der ihnen permanent zur Verfügung steht eine gute Alternative. Die letzte Alternative ist geeignet bei längeren Projekten. Sollten Sie ein Taxi in Anspruch nehmen dann auf jeden Fall vorher den Preis aushandeln. Sie werden sonnst „über das Ohr gehauen “.

 

Kommunikation und Small Talk

Meiden Sie Themen wie Politik, Sex (bitte keine Frauenwitze) und Religion! Was sehr gut rüber kommt ist das Thema Familie. Sollten Sie Frau und Kinder haben (vor allem Söhne) ist dies immer ein guter Starter. Beliebt sind kulinarische Themen (auch hier das Thema Alkohol meiden), sowie Geschichte, Sport (z.B. Fußball) und Kultur. Damit kann man sehr gut Punkten und es müsste die Pflicht jedes Projektmanagers sein sich vorher gründlich auf diese Themen  vorzubereiten. Ebenfalls müssen Sie beachten, dass der arabische Kulturkreis  in Gegensatz zu einigen anderen Kulturen oft in seiner Beschreibung mit kleinen Beispielgeschichten und Handbewegungen begleitet wird. Dies gibt es auch in vielen europäischen Kulturkreisen (Italienische, Spanisch, Polnisch …) aber seltener im deutschsprachigen Raum. Sie sollten Ihre Hände beim reden deshalb so benutzen, dass Sie am ende des Satzes eine Hand öfters gegen die Brust halten. Das kommuniziert so etwas wie eine bejahende und ehrliche Aussage. Was ich als Nachrichtenquelle sehr gut empfehlen kann ist am frühen Morgen CNN und die englische Version von Al Jazeera zu verfolgen. Übrigens; nutzen Sie immer die Bezeichnung „Arabischer Golf“ und nicht wie im Deutschen Sprachgebrauch  üblich „Persischer Golf“!

Unterbringung

Doch wo bringe ich mein Projektteam aus Deutschland unter? Die beste Möglichkeit ein Team für kürzere Projekte unterzubringen ist ein Hotel. Sollte das Projekt länger andauern empfehle ich, dass Sie sich in einem „Compound“ einmieten. Hierbei handelt es sich um ein Stadtviertel, die durch eine Grenze von der Außenwelt abgeschottet sind. Dort lassen sich Einfamilienhäuser mieten und auf dem Gelände können Sie sich frei und offen wie im Westen bewegen.

Promotoren

Promotoren sollte jedes Projekt haben aber gerade in den arabischen Ländern wird dies besonders deutlich. Egal ob es die öffentliche oder private Hand ist. Wenn Sie niemanden haben der hinter ihrem Projekt steht, werden Sie nicht weiterkommen. Angenommen sie sind im Anlagenbau tätig und kennen niemanden der ihnen innerhalb der Verwaltung bei den „civil works“ hilft. Wie wollen Sie sogar Fotos machen, Straßen sperren oder Strom sich besorgen? Das gleiche gilt auch für die IT Landschaft. Sie brauchen jemanden an den Sie sich wenden können. Einen richtigen arabischen Machtpromotor. Den müssen Sie hegen und pflegen!

 

Freizeit und Dresscode

Das Thema Freizeit ist immer stark von Land zu Land unterschiedlich zu betrachten. Am liberalsten fand ich persönlich die Vereinigten Arabischen Emiraten und den Oman, während KSA das konservativste Land war. Gehen wir vom konservativsten Fall aus. Sie müssen bei der Projektteambildung in Ländern wie KSA davon ausgehen, dass der Konsum von Alkohol strikt verboten ist und das auf Drogenbesitz die Todesstrafe steht. Sie werden z.B. in KSA keine Klubs, Bars oder Kinos vorfinden. Höchstens Shisha Bars die offen eingerichtet sind. Besorgen Sie sich daher eine Spielkonsole. Wenn Sie Freizeit haben wollen, fliegen Sie mit dem Team über das Wochenende nach Bahrain. Vor allem wegen des gelockerten Alkoholausschanks und der Nähe zu Saudi-Arabien ist Bahrain eine gute Alternative. Ebenfalls ist der Dresscode unterschiedlich. Kurze Hosen sind trotz Hitze ein absolutes „No-Go“. Ungern gesehen aber dennoch akzeptiert sind T-Shirts. Wenn es nicht anders geht, dann ein Hemd mit kurzen Ärmeln. Krawatte stört niemanden und muss auch nicht sein. Sie wird als etwas westlich Akzeptiertes angesehen.

Abschließende Bemerkung

Ich könnte weitaus mehr in diesem Blogbeitrag über meine Projekterfahrung berichten aber ich möchte den Blog auch nicht al zu sehr in die Länge ziehen. Gerne beantworte ich, falls das meine Compliance Richtlinien zulassen, weitere Fragen zu diesem Thema. Sie sind herzlichst dazu eingeladen sich an meinem Blog zu beteiligen oder schicken Sie mir einfach eine Email zu. Ich freue mich auf die Diskussion.

Weitere Informationen

[1] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/VereinigteArabischeEmirateSicherheit.html

Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.